Das Recht auf Home-Office ist eine der Varianten Arbeit neu zu gestalten, die zur Zeit viel Zuspruch erhält. Zu Hause zu arbeiten bedeutet für viele Unabhängigkeit, freie Zeiteinteilung, keine Störungen durch Kollegen. Dass dieses Arbeiten zu Hause die Selbstausbeutung im Home-Office fördert, zeigt erst der Arbeitsalltag in den eigenen vier Wänden.
Diese Selbstausbeutung ist ein schleichender Prozess und wird oft viel zu spät erkannt.
Multitasking – die Grundlage zur Selbstausbeutung im Home-Office
Gerade das Arbeiten „zu Hause“ verführt zu Multitasking. Vor allem Frauen neigen zu Hause dazu die Rolle zu übernehmen, alle Aufgaben parallel zu erledigen. Wurden ihnen doch lange genug eingeredet, dass sie viele Aufgaben parallel erledigen können. Inzwischen hat sich das zwar als Irrtum herausgestellt, aber noch lange nicht bei allen herumgesprochen. Noch 2018 warnt die Techniker Kasse davor, sich von dieser Einschätzung leiten zu lassen und schreibt Schluss mit dem Multitasking.
Viele kennen das:
- Sie erledigen die Aufgaben, die vom beruflichen Betriebsablauf notwendig sind.
- Dennoch laufen Hausarbeit wie Waschmaschine füllen oder Geschirrspüler ausräumen „nebenbei“.
- Das Mittagessen wird zwischendurch vorbereitet, denn es kocht ja dann von alleine.
- Sie sind stets Ansprechpartner für Sorgen und Nöte der Familie, insbesondere der der Kinder, aber auch für Freunde / Eltern fast jederzeit ansprechbar.
Dabei ist inzwischen nachgewiesen, dass Multitasking nur bedingt möglich ist, im Allgemeinen aber zur Verlangsamung der einzelnen Tätigkeiten bis zu Fehlern führt. Studien haben aufgezeigt, wie in einem Zeitartikel steht, dass das menschliche Gehirn gar nicht mehrere Aufgaben auf einmal bewältigen kann.
Beruflich irrelevante Anfragen abblocken
Es ist schon im Büro schwierig, Kollegen eine Bitte abzuschlagen, wenn sie nachdrücklich um Hilfe bitten. Viel schwieriger ist es da, die Freundin am Telefon abzuwimmeln oder die Kinder auf einen späteren Zeitpunkt zu vertrösten.
Deshalb sollte wie im Büro ein klares „Nein“ erfolgen, wenn Bitten mit diesem Tenor erfolgen:
- „Du bist doch sowieso zu Hause …“
- „Das geht doch schnell mal nebenher …“
- „Arbeite das doch abends am PC nach …“
- Tipp:
Sorgen Sie in Ihrem Umfeld für Akzeptanz, dass der Arbeitsplatz im Home-Office ein vollwertiger Arbeitsplatz ist.
Der Arbeitsplatz im Home-Office hat die gleichen Rechte und Pflichten wie ein Arbeitsplatz vor Ort.
- Die Rechte beinhalten Pausen und Mahlzeiten
ohne(!) zusätzliche Tätigkeiten „nebenher“.
Dazu gehört auch, dass Sie abends für Entspannung sorgen. Wochenenden sind nicht dazu da, das aufzuarbeiten, was unter der Woche liegen beblieben ist.- Die Pflichten beinhalten die Verantwortung, einwandfreie Arbeiten abzuliefern, so wie Sie es im Büro unter „Aufsicht“ Ihres Vorgesetzten erledigen würden.
!!Sie sind jetzt Ihr eigener Vorgesetzter und damit in der Pflicht Ihrem Angestellten gegenüber – also in dem Fall sich selbst – die entsprechende Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.
- Die Pflichten beinhalten die Verantwortung, einwandfreie Arbeiten abzuliefern, so wie Sie es im Büro unter „Aufsicht“ Ihres Vorgesetzten erledigen würden.
Home-Office – ein ganz normaler Arbeitsplatz
Alle, die unmittelbar durch die Tätigkeit im Home-Office betroffen sind, müssen diese Tätigkeit als vollwertige Arbeit akzeptieren lernen. Sie sind eben nicht „zu Hause”, sondern bei der Arbeit, wenn Sie am Schreibtisch bzw. vor dem PC sitzen. Sie müssen jegliche Unterbrechung von vornherein unterbinden. Wenn Sie Ihre Arbeit unterbrechen, um auf eine Bitte zu reagieren, werden Sie aus der Konzentration gerissen. Jede unterbrochene Arbeit benötigt deshalb wesentlich länger, als Sie ursprünglich dafür eingeplant hatten. Das sorgt für Stress und schon sind Sie im Hamsterrad.
Werden Sie konsequenter gegen sich und andere!
- Legen Sie Ihre Arbeitszeiten wie Bürozeiten fest.
- Behandeln Sie private Telefonate und das Beantworten privater E-Mails wie an Ihrem Arbeitsplatz im Büro – also in den Pausen oder abends „zu Hause”.
- Vermeiden Sie, sich nachmittags um Haushalt und Kinder zu kümmern. Das bedeutet, dass Sie abends entsprechend Zeit aufbringen müssen.
- Treffen Sie mit Ihren Kindern klare Absprachen, wann Störungen möglich sind, z. B. wenn Sie sich eine Tasse Tee machen und damit eine kleine Pause einlegen. Vieles erfordert keine unmittelbare Lösung. Die meisten Kinder können sich sehr gut allein beschäftigen.
Die Selbstausbeutung im Home-Office liegt weniger am Arbeitspensum, das von der Firma auferlegt wird, sondern daran, dass vor allem Frauen am eigenen Anspruch alles richtig zu machen zu wollen, scheitern.
Die Überstundenfalle im Home-Office ist also in erster Linie dadurch bedingt, dass die Arbeiten im Home-Office anders verteilt werden. Damit wartet noch oft am Wochenende Arbeit. Das sollten Sie nicht billigend in Kauf nehmen.
Diese Erkenntnis bedeutet straffe Organisation Ihres Alltags. Während es Männer zu Hause sehr gut schaffen, die Tür zum Büro zuzumachen, bleiben Frauen zu oft für die Anliegen ihrer Familienmitglieder offen. Dass unter diesen Umständen gerade bei Frauen im Home-Office Burnout-Symptome auftreten, ist deshalb nicht verwunderlich.
Entwickleln Sie ein eigenes Controlling
Das Überfrachten mit Tätigkeiten führt oft zur Selbstausbeutung. Zehn bis zwölf Stundentage, gefüllt mit vollem Programm, sind keine Seltenheit. Vor allem Frauen möchten sich nicht vorwerfen lassen, dass sie etwas vernachlässigen. Der Hang zu Perfektionismus treibt diese Selbstausbeutung auf die Spitze.
Deshalb müssen Sie im Vorfeld die Arbeit im Home-Office genauso organisieren, wie die Arbeit in einem Büro außerhalb. Lassen Sie sich nicht mit dem Satz abspeisen, sie seien doch “zu Hause”, wenn es um Plätze geht, um Ihre Kinder unterzubringen.
Nutzen Sie die Möglichkeiten wie jede andere berufstätige Frau.
- Wählen Sie Kindergarten, Schule / Hort mit den Zeiten für berufstätige Mütter.
- Kaufen Sie möglichst mit einem Wocheneinkauf mit der ganzen Familie ein, bei dem die ganze Familie mithilft.
- Trennen Sie Privates und Berufliches!
Für viele mögen diese Lösungen selbstverständlich sein. Leider sind von Problematik der Selbstausbeutung überwiegend Mütter betroffen. Das Home-Office benötigt deshalb die Unterstützung der ganzen Familie. Da auch Männer immer häufiger bereit sind, Aufgaben im Haushalt zu übernehmen, benötigen sie dass gleiche Verständnis von Trennung der Arbeit im Home-Office und Haushalt wie Frauen.
Selbstständige sind allerdings genauso wenig vor der Selbstausbeutung im Home-Office geschützt. Wer sich bei der Umsetzung schwer tut und nicht die Disziplin für eine straffe Organisation aufbringt, wird auf Dauer der Selbstausbeutung im Home-Office nicht entgehen und muss aufgeben. Aus dem Recht auf Home-Office darf keine Verpflichtung abgeleitet werden. Der Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, seine Entscheidung zu revidieren. Ein Kompromiss sind zwei Tage in der Woche. Das sollten aber nicht der Montag und Freitag sein, da diese Tage zu einem verlängerten Wochenende führen könnten. Das Arbeitspensum muss schließlich geschafft werden. Die Routinen am Arbeitsplatz erleichtern die Auswahl für die richtigen Tage.
Deshalb kann es sinnvoll sein, sich die Zeiten und Dauer für Tätigkeiten aufzuschreiben. Hier werden Sie schnell zeigen, dass dieses „mal schnell“ oder „nur kurz“ viel mehr Zeit frisst, als Sie einkalkuliert hatten.
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