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Crowdworking: „Die Masse macht‘s“

Schwarmintelligenz, Sie erinnern sich? Der Schwarm steht für eine große Anzahl von Menschen mit gleichen Zielen. Kollektive Intelligenz, deren Individuen als „Superorganismus“ intelligente Verhaltensweise in der sozialen Gemeinschaft fördern und umsetzen. Der Hintergedanke ist klar: Die Masse, die miteinander kommuniziert, bewegt mehr als der Einzelne oder versprengte Gruppen. Klar, dass Crowdworking sinnvoll erscheint.

Es ist die Masse, die ein Ziel verfolgt und taucht immer mehr in Zusammensetzungen mit Crowd auf: Crowdfunding, CrowdWorking, CrowdSourcing oder CrowdInnovation. Dahinter verbirgt sich jedoch mehr.

Crowdworking: Arbeiten im Netz mit der Masse

Crowdfunding hat dies ganz deutlich gezeigt. Wenn viele nur einen kleinen Teil zu einem gemeinsamen finanziellen Ziel beitragen, kann dies den gewünschten Erfolg als Ganzes bringen. Ein gutes Beispiel ist die Firma Mamamia, in Augsburg. Sina Trinkwalder benötigte für einen großen Auftrag Maschinen und trotz vieler Unternehmenspreise waren Banken nicht bereit, den notwendigen Kredit zu bewilligen. Über Crowdfunding in vielen kleinen Beträgen war es der Unternehmerin möglich, diese Maschinen anzuschaffen. „Für das Wirtschaftsministerium sind wir nicht ökonomisch genug, für das Sozialministerium nicht sozial genug und für das Finanzministerium nicht liquide genug“, schimpft Trinkwalder über die fehlende Förderung.

Für Start-ups ist es heute fast die einzige Möglichkeit an Kapital für eine Gründung zu kommen. Da das Geld kein Kredit ist und die Beiträge oft sehr gering sind, muss dieses Kapital nie zurückgezahlt werden. Raten und Zinsen entfallen damit, was einem Unternehmen, das im Allgemeinen drei bis fünf Jahre braucht, um Fuß zu fassen, eine große finanzielle Bürde abnimmt.

Dass sich Ethik-Banken um Crowdfunding bemühen und eine Plattform anbieten, finde ich eine interessante Entwicklung. Voraussetzung ist, dass die Geschäftsidee dem „Gemeinwohl“ dient.

„Kleinvieh macht auch Mist“, sagt der Volksmund und so erhält die Crowd eine neue Perspektive in vermehrtem Maße in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt. Wenn viele etwas tun, erweist sich das als Gewinn für den Einzelnen genauso wie für eine Gruppe bzw. für die Gesellschaft als Ganzes.

Crowdworking: Kleinteilige Arbeiten – Auftragsvolumen durch Akkord

Die Grundidee ist plausibel und scheint auf den ersten Blick sozial, was beim Crowd-Funding sehr deutlich wird. Viele arbeiten an einer Sache oder für ein Unternehmen. Diese Tätigkeiten werden anschließend zu einer Einheit zusammengefügt. Das Prinzhip der Fließband- und Akkordarbeit ist damit gewissermaßen “digitalisiert”.

Anders sieht es beim Crowdworking aus. Für Firmen ist diese Möglichkeit sehr interessant, denn sie kommen schnell an Ergebnisse, da die Crowdworker nur durch die Menge an Aufträgen ein gewisses Einkommen erzielen. Die Bedingungen sind hart. Drei Euro für 160-180 Wörter, natürlich suchmaschinenoptimiert, schreibt der Freitag in seinem Artikel “Für ein paar Cent” https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/fuer-ein-paar-cent. Während sich in Indien damit ein gut bezahlter Mittelstand aufbaut, entstehen in Europa schlecht bezahlte Heimarbeitsplätze.

Crowdworking die digitale Form der schlecht bezahlten Heimarbeit

Heimarbeit hieß das früher und war meist miserabel bezahlt. Immerhin konnte über die Stückzahl im Akkord noch ein gewisses Einkommen erzielt werden. Ich erinnere mich noch daran, dass Kugelschreiber in Heimarbeit zusammengesetzt wurden. Die heutigen „Heimarbeiter“ müssen aber über ein optimales Equipment und technisches Wissen verfügen. Das gilt vor allem für das Testen von Apps und Websites. Recherche im Internet ist höchst zeitaufwändig, wird aber nicht honoriert, da nur der Auftrag bezahlt wird. Der Akkord können Sie nur durch entsprechend viel Zeit erzielen oder durch nachlässige Arbeit.

Immer mehr Menschen entscheiden sich gegen eine feste Stelle und erzielen ihr Einkommen über viele kleine Aufträge, die sie online erhalten. Vor allem Frauen sind dafür anfällig. Können sie soch ein kleines Einkommen erzielen und sich zu Hause um Haushalt und Kinder kümmern. Sie übersehen, dass sie nicht einmal den Mindestlohn erhalten und durch keine Sozialleistungen abgesichdert sind.

Die einzige Voraussetzung für Crowd-Worker: Ständig online verfügbar zu sein, wobei Zeit und Ort keine Rolle spielen, denn die Aufgaben können digital abgearbeitet werden

Crowdworking wird überwiegend in diesen Bereichen angeboten:

  • Schreibdienste
    vom Brief bis zur Promotion für Journalisten, Gutachter, Doktoranden
  • Apps testen
  • Websites prüfen
  • Webseitenoptimierung (SEO)
  • Bewertungen schreiben
  • Fernkontrolle von Systemen, um den Status von Anlagen zu überwachen
  • Werbetexte und/oder firmenspezifische Blogartikel schreiben

Auftragnehmer, die Spaß an Technik haben, oft jung oder nicht auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen sind, gibt es ausreichend. Klickworker ist der neue Begriff für diese Arbeitsverhältnisse.

Sie müssen sich klar sein: Crowdworking bedeutet: Arbeiten fast zum Nulltarif

„Die Masse macht’s“, bezieht sich nicht nur auf eine Vielzahl von Anbietern. Der einzelne Anbieter muss viele kleine Aufträge abarbeiten, die oft völlig unterschiedlich sind. Unternehmen vergeben sehr viele kleinere Aufgaben an verschiedene Dienstleister, um sie anschließend wieder zusammenzuführen. Preis und schnelle Verfügbarkeit bestimmen die Vergabe. Dass dabei die Qualität der Leistung wohl eher auf der Strecke bleibt, scheint nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Nur die Menge der Aufgaben sichert das Einkommen, denn die Bezahlung erfolgt oft nicht nach aufgewendeter Zeit, sondern wird pro Auftrag honoriert. Zehn Euro für einen Auftrag ist keine Seltenheit.

Das mag für Schüler oder Studenten interessant sehr. Solange ein Partner für ein stabiles Einkommen sorgt, kann so eine Tätigkeit ein netter Zeitvertreib sein. Wer zum Lebensunterhalt in der Familie beitragen möchte, muss entsprechend viele Aufträge abwickeln, denn nur die Masse ermöglicht ein gewisses Einkommen. Der Wettbewerb ist entsprechend groß und verzerrt die Preise.

Kosten der Selbstständigkeit einplanen

Wollen Sie diese Tätigkeit nebenberuflich ausüben, müssen Sie Ihre Krankenversicherung selbst tragen, ganz abgesehen von der Vorsorge fürs Alter. Da kommen Sie mit den üblichen zehn Euro pro Auftrag – oft soar weniger – nicht weit. Denn kaum ein Auftrag wird nur einem Zeitvolumen von 15 bis 20 Minuten entsprechen.

Weitere Kosten für Sie als Crowd-Worker kommen dazu:

  • Equipment:
    Sie müssen für die gesamte Technik selbst sorgen. Das kann über den Laptop hinausgehen.
  • Verantwortung:
    Sie sorgen für die technische Sicherheit, Wartung, aktuelle Software bis zum Datenschutz, was mit entsprechenden Kosten verbunden ist.
  • Aufträge:
    Akquise für Auftragsbeschaffung erhöhen Kosten und fressen Zeit. Die Möglichkeit über Agenturen und Börsen an Aufträge zu kommen, besteht. Diese kosten allerdings Provision, was das eigene Einkommen zusätzlich schmälert.

Während ein Festangestellter häufig eine Bindung zur Firma aufbaut und diese vielen einzelnen Aufgaben immer im Gesamtzusammenhang sieht, geht es den Crowdworkern in erster Linie darum im Akkord Aufgaben abzuarbeiten, um ein Einkommen zu erzielen, mit dem sie überleben können.

Sensible Daten und Datensicherheit

Die Datensicherheit schwindet je mehr unterschiedliche Leute mit diesen Daten zu tun haben. Vor allem ist gar nicht klar, wo diese Daten tatsächlich bearbeitet werden. Denn die Aufgaben können in alle Welt verteilt werden. Ausschlaggebend ist der Preis, dass billig nicht zwingend preiswert ist, hat sich offenbar immer noch nicht überall rumgesprochen.

Zudem gibt es keine Sicherheit, dass der Auftragnehmer nicht auch die Produkte der Konkurrenz testet und wertvolles Wissen – vielleicht auch völlig unabsichtlich – weitergibt.

Digitales Prekariat

Die Folgen sind absehbar. Die Einkommen sinken. Waren bisher Einzelselbstständige schon oft von Altersarmut betroffen, wird das durch solche Arbeitsverhältnisse verschärft.

Crowdworking – eine etwas nebulöse Angelegenheit ©Bürodienste in
Crowdworking – eine etwas nebulöse Angelegenheit
©Bürodienste in
Crowdworking birgt mehrere Gefahren:
  • Hybride Arbeitsverhältnissen nehmen zu, das heißt, neben einer Festanstellung werden immer mehr Menschen nebenberuflich tätig sein.
  • Die erforderliche Akkordarbeit, da eine hohe Anzahl von Aufgaben in einer Stunde zu erledigen ist, wirkt sich negativ auf die Qualität. Bei Fehlern kann der Verdienst völlig ausfallen.
  • Eine geringe Entlohnung führt zu mehr Verarmung und damit zur Anfälligkeit für radikale Lösungen.

Die Gefahren zeigen deutlich, dass die Arbeitnehmer in unsicheren Verhältnissen leben, was sie psychisch belastet und sie leichter erkranken lässt. Wer krank ist, erzielt kein Einkommen mehr. Das hat bei einem geringen Einkommen existenzbedrohende Auswirkungen, ganz zu schweigen von fehlender Absicherung für das Alter.

Gewerkschaften sehen hier große Probleme für die Zukunft, wenn gut ausgebildete Menschen im IT-Bereich sich unter Wert verkaufen. Diese Art der Arbeitsverteilung könnte feste Arbeitsplätze vernichten, gekoppelt mit einem Honorardumping. Ob der Pessimismus der Gewerkschaften gerechtfertigt ist, weiß ich nicht. Schlecht bezahlte Arbeit wird nicht immer optimal ausgeführt, was sich Unternehmen auf Dauer nicht leisten können. Andererseits wird bei Fehlern der Crowd-Worker gewechselt, so dass sich die Vorghenssweise wenig ändern wird.

Diese vielen kleinteiligen Arbeiten müssen irgendwann wieder zusammengeführt werden, um ein Resultat zu erzielen. Testen zum Beispiel mehrere Anwender eine App oder Website, müssen deren Ergebnisse verwertet werden und entsprechend umgesetzt werden. Nicht jede App, die als nutzerfreundlich erscheint, gefällt dem Verbraucher, der das möglicherweise anders sieht. Das wiederum wirkt sich ungünstig auf das Unternehmen aus, das diese App verbreitet.

Arbeiten im Schwarm braucht unbedingt feste Regeln, denn ohne Regeln drohen Lohndumping und Missbrauch.

Ausführlich setzt sich die Süddeutsche Zeitung am 30.12.2016 in ihrem Wirtschaftsteil mit diesem Thema auseinander: „Arbeit im Schwarm, schwach entlohnt.“

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