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Selbstständigkeit – grenzenlose Freiheit?

Ich habe einen Artikel in der “Zeit” gelesen, in dem stand, dass der Festangestellte ein Auslaufmodell sei. Die These ist provokant, die Begründung aber in meinen Augen doch etwas einseitig und zu euphorisch. Ich möchte als Selbstständige, die mit vielen sog. „Einzelkämpfern“ zu tun hat, diese Sichtweise etwas gerade rücken.

Idealisierte Sicht der Selbstständigkeit

Die Selbstständigkeit bringt einige Vorteile, aber auch Nachteile und das Für und Wider muss sehr genau abgewogen werden. Einzelfälle, wo Gründer große Firmen aufbauten, sind nicht die Regel, zumal der Autor in erster Line von „Einzelkämpfern“ ausgeht.

Schon das erste Argument, als Selbstständiger verfüge man über mehr Geld und mehr Freizeit, lässt sich nicht verallgemeinern.

Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Vorteilen der Selbstständigkeit
  • Neben der freien Zeiteinteilung sind Sie ihr „eigener“ Chef.
  • Bei Kunden sind Sie mit dem Geschäftspartner auf Augenhöhe.
  • Durch die Abwechslung bei unterschiedlichen Projekte und verschiedenen Kunden, erspart Sie sich das tägliche „Einerlei“
  • Arbeiten mit unsympathischen Kollegen beschränkt sich für Sie auf eine überschaubare Zeitspanne.
  • Als Selbstständiger wird definitiv seltener krank. Das ist auch meine Erfahrung.
  • Sie sind nicht weisungsgebunden und damit unabhängig
  • Sie sind zeitlich und örtlich flexibel.

 
Da nur noch 13% der Angestellten mit ihrer Tätigkeit zufrieden seien, sieht der Autor einen Trend zur Selbstständigkeit bestätigt. Die Loyalität zu Unternehmen nehme kontinuierlich ab, so dass Angestellte immer häufiger ihren Arbeitsplatz wechseln.

Dennoch finde ich, sprechen einige Gründe für die Festanstellung
  • regelmäßiges Einkommen
  • Sozialabgaben mit knapp 20% anteilig zum realen Einkommen
  • Urlaubsanspruch
  • Kollegen und der Austausch mit ihnen
  • Absicherung bei Krankheit
  • Arbeitsplatzsicherheit in überschaubarem Rahmen

 
Andererseits denken vor allem Mittelständler und Familienunternehmen noch langfristig. Loyale Angestellte werden durch betriebliche Attraktivität und angenehme Arbeitsatmosphäre motiviert.

Anstrengungen und Nachteile, die sich durch eine Selbstständigkeit ergeben, dürfen dennoch nicht übersehen werden
  • Auftragsunsicherheit:
    Vor allem in den ersten Jahren ist es schwierig, kontinuierlich Aufträge zu erhalten. Erst mit der Zeit baut sich ein fester Kundenstamm auf oder der Freelancer wird auch weiter empfohlen.

  • Investitionen:
    Kosten fallen in allen Bereiche an wie Technik, Energie, Weiterbildung, Reparaturen, Auto, Reisekosten etc. trägt der Selbstständige

  • Arbeitsplatz:
    Viele Freiberufler arbeiten im Home-Office – je nach Auftragslage und Tätigkeit mal mehr, mal weniger.

  • Sozialabgaben:
    Krankenversicherung und Altersvorsorge trägt der Selbstständige ganz allein – unabhängig vom Einkommen bei schlechterer Auftragslage oder Krankheit. Das sind mindestens 35-40% des Gewinns und wird sehr häufig unterschätzt.

  • Vermarktung:
    Will ein Freelancer nicht von einer Agentur abhängig werden, muss er Akquise betreiben und sich vermarkten, um seine Dienstleistung bekannt zu machen wie jedes andere Unternehmen.

  • Verwaltung:
    Neben den Tätigkeiten bei Auftraggebern kommen Verwaltungsarbeiten dazu, allen voran die Buchführung, Umsatzsteuer bzw. die Vorarbeiten für den Steuerberater.

  • Weiterbildung:
    Um der schnellen Entwicklung insbesondere im IT-Bereich folgen zu können, ist kontinuierliche Weiterbildung erforderlich. Das kostet mindestens Zeit häufig auch Geld.

 
Und schließlich müssen alle übrigen anfallenden Kosten wie Miete, Energie, Auto ggf. Hotelkosten, die zwar absetzbar sind, zunächst vorgestreckt werden .

Auftragslage sichern über Vermittler und Agenturen

Der Selbstständige benötigt neben einer guten Idee in erster Linie Aufträge. Das Aufbauen von Netzen benötigt Zeit und Einkommen muss sofort zur Verfügung stehen. Deshalb arbeiten Freelancer oft über Agenturen oder Vermittler.

Deutlich wird damit, dass eine ganze andere Branche von vielen Freelancer profitiert: die Vermittler oder Agenturen.

Natürlich kann eine Agentur in der Startphase in Anspruch genommen werden. Durch diese Zusammenarbeit ist der Selbstständige keineswegs mehr unabhängig. Zudem bekommen Agenturen bis zu 25% des Honorars Provision für die Vermittlung, Geld das dem von Selbstständigen fehlt und durch erhöhte Aufträge ausgeglichen werden muss. Zeit, die für die Akquise fehlt, um sich endgültig richtig selbstständig zu machen. Von Unabhängigkeit würde ich hier nicht mehr sprechen.

Mir erscheint das Prinzip der Agentur ähnlich wie Leiharbeit, nur dass die Agenturen für ihre „Selbstständigen“ keine Sozialabgaben entrichten müssen. Wie sie damit der Scheinselbstständigkeit entfliehen, müsste mal genauer unter die Lupe genommen werden.

Jobnomaden

Flexibilität wird in manchen Sparten gewünscht, da Projekte konkretes Wissen voraussetzen und einen festgelegten Zeitablauf vorgegeben haben. Diese Projekte müssen vor Ort erledigt werden, so dass der IT-Spezialist zwar volle Auftragsbücher hat, aber ständig unterwegs ist in ganz Deutschland.

Es gibt keinen eigenen Schreibtisch mehr und stets wechselnde Arbeitsorte und neue Kollegen. Wer stets neue Herausforderungen sucht und sich kurzfristig auf neue Situationen einstellen kann, ist hierfür geschaffen. Eine Familie wird das auf Dauer an die Grenzen führen, wenn ein Partner nur selten und vor allen Dingen sehr unregelmäßig zu Hause ist.

Selbständigkeit muss gut durchdacht werden

Andererseits schreibt der Autor auch, dass sich Freiberufler verdingen, anstelle einer steilen Konzernkarriere. Verdingen stimmt bei Freiberuflern durchaus. Sie arbeiten zu unsicheren Honoraren, bei unsicheren Verträgen und halten sich von Job zu Job gerade über Wasser.

Zwischen verdingen und steiler Konzernkarriere scheint es mir doch noch einige andere Lösungen dazwischen zu geben für Angestellte genauso wie für Freiberufler 😉

Hier der ganze Artikel aus der Zeit: Auslaufmodell Festanstellung
Mit den klassischen Selbstständigen wie Rechtsanwalt oder Steuerberater lassen sich diese Freelancer nicht vergleichen.

Letztendlich ist nicht jeder für die Selbstständigkeit geeignet, selbst wenn er fachlich überdurchschnittlich ist.

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